Morgens, 3:30 Uhr. Ja, ich bin wach. Mit Sicherheit aber nicht freiwillig. Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen zu christlicheren Zeiten den Weg in mein Bett zu finden und dann auch um zu schlafen. Das mit dem Bett hab ich immerhin schon mal hinbekommen, aber von Schlaf brauchen wir hier gar nicht reden.
Panik, Kurzatmigkeit und blankes Entsetzen halten mich wach. Youtube zeigte mir das Grauen. Meine Angststarre ließ es nicht einmal zu, dass ich diesen Horror mit einem beherzten Klick auf das kleine "X" meines Browsers beenden konnte. Freunde der Nacht, ich habe das Böse gesehen! In bunt! Das hat sogar einen Namen, zwar keinen sehr klangvollen oder besonders schönen, aber einen Namen.
Jimi Blue Ochsenknecht.
Als aufmerksame Entertainment-Trulla ist mir nicht entgangen, dass kleine Mädchen ihre Minnie Mouse Schlüppis voll machen, wenn der Name Jimi Blue fällt. Nicht aus Angst, nein, die freuen sich über den! Da ich mittlerweile zum Erstaunen einiger aus dem Alter raus bin, kann ich weder mit Erscheinungen wie Jimi noch mit Geräuschen von Jimi etwas anfangen (und letztere sind nichts für schwache Nerven, das sei mal gesagt). Der Herr Ochsenknecht scheint aber nach Höherem zu streben als nach Groupies im Alter zwischen 2 und 10. Seine aktuelle Single, "Key To The City", lässt darauf schließen, dass er jetzt auch Mädels mit Brüsten ansprechen möchte. Oder aber die Plattenfirma wars und wollte dem Sound von Jimi mal einen hipperen Touch geben (machen die ja ganz gern und das geht auch ganz gern in die Hose). Jugendlicher, cooler, usw.
Meine Fresse, was lagen die daneben.
Mir blieb der Mund zeitweise fassungslos offen stehen. Nicht nur, dass der Song an sich grottenschlecht ist. Nein! Die Idee zum Video wird auch dreist einfach mal bei wirklichen Künstlern geklaut - in dem Fall Lauryn Hill. Aber immer schön der Reihe nach.
Der Song
Dass sich durch das Internet so gut wie jeder Kasper berufen fühlt, seine Kellerproduktionen online zu stellen und Datenmüll zu verursachen, ist nicht neu und damit habe ich mich auch abgefunden. Das macht es sicher schwerer echte Perlen zu finden, aber der Anreiz zu suchen ist bei mir jedenfalls höher. Hat was von Ostern oder Indiana Jones.
Als die ersten Töne des Songs von Jimi meine Gehörgänge erreichten, wusste ich nicht, ob ich laut lachen oder doch bitterlich weinen sollte. Im letzen Post habe ich es angemerkt - ich bin Musikredakteurin bei einem Hip Hop Magazin. Und was brettert mir da durch die Kopfhörer direkt das Trommelfell entlang?! Ein rappender Jimi! Auf Englisch! Ich bin mir nicht mal sicher, ob der wirklich Deutsch kann... Scheint auch völlig Wurst zu sein, die Songwriter haben da dreist, wie sie sind, einfach mal die Language geswitcht. Nennt mich engstirnig oder intolerant, aber ich kann keinen milchbärtigen Schnuffelpuffel ernst nehmen, wenn er mir in seinem Videoclip schlecht rappend erzählen will, dass er die geilste Sau im Bett ist. Vor allem nicht, wenn er mit einem gelben Pali-Tuch in selbigem herumspringt ("dress to impress"). Da fehlt mir vielleicht auch die Fantasie....
Musikalisch gesehen hat sich das Niveau hier also zwei Meter unter Normal Null begeben. Das wars ja aber leider noch nicht.
Das Video
Wie oben bereits angesprochen muss das gut gemachte und kreative Video von Lauryn Hill zu "Everything Is Everything" herhalten, denn eigene Ideen sind sowieso völlig überbewertet. Dafür hat das Budget wahrscheinlich nicht gereicht... In Jimis Kopie turnen neben diversen Homeboyz auch einige Homegirlz rum, wie sich das für einen angehenden Rap Superstar auch gehört. Hauptsache Weiber im Clip. Der junge Herr Ochsenknecht soll ja auch möglichst real rüberkommen und so zieht er mit seiner Crew durch die Stadt oder chillt gediegen an einem Zaun. Die freshen Lyrics dabei immer Richtung Kamera schmetternd, versteht sich ja von selbst.
Und er tanzt auch. Muss man ja ohne Frage mal erwähnen, wenn eine Bodybeate wie der Jimi sich rhythmisch zur eigenen Musik bewegt. Unterstützt wird er dabei auch noch von deutscher Dance-Prominenz (Oooho, ein Reim!). Kenny, Sieger der vielbeachteten DanceStar Serie, hopst fröhlich grinsend hinter oder neben dem Protagonisten durchs Video. Damit wäre auch die Frage nach dem Choreografen beantwortet und weiter kommentieren muss man das auch nicht. Muss man eben gesehen haben. Die obligatorische Blockparty gibts natürlich im Video auch noch. Was wäre das für ein Rapvideo ohne Party?!?!?
Achja, die Stadt ist eine Platte und Jimi ist der DJ. Schlimmer geht nimmer...
Zitate aus "Key To The City"
(Muss man gehört haben, lyrische Leckerbissen, meine Freunde!)
"Big mouth, clean shirt, dirty mind - now you know"
Der verwegene Blick bei dieser Textzeile zieht Mandy und Oma gleichermaßen die Windeln aus, da bin ich mir sicher! Nur ein Schelm würde bei dieser Zeile an homoerotische Spielchen denken....Big mouth....dirty mind....Oha...
"Come closer, get nasty, if you wanna touch this, don't ask me"
Jimi ist also für alle da. Schön. Wer mal anfassen will, der solle sich frei fühlen, dies auch zu tun. Bei der erstbesten Gelegenheit werde ich dem nachkommen und ihm ne Backpfeife für den Schund verpassen. Ist ja auch anfassen.
Mittlerweile bin ich am Ende meines Posts angekommen und es ist 4:33 Uhr. Albträume werden mir hoffentlich erspart bleiben, denn mehr Jimi Blue vertrage ich weder bewusst noch unterbewusst. Meine Müdigkeit werde ich ausnutzen und mit Lauryn Hill auf den Ohren langsam entschlummern.
Nach dem Horror hab ich mir das auch wirklich verdient.
Gute Nacht.