Donnerstag, 23. Oktober 2008

We don't need no education...

Bestimmte Themen und Probleme kommen mit einer hübschen Regelmäßigkeit ins Gespräch und verschwinden dann wieder lange Zeit in den Tiefen der Bedeutungslosigkeit. Eines dieser Themen hat sich im Laufe von Monaten immer lauter bemerkbar gemacht, bis es auch der letzte Politheinz nicht mehr ignorieren konnte - die liebe Bildung. Gern debattiert man über Deutschland als geistiges Schlusslicht im internationalen Vergleich, wenn die PISA Studie mal wieder um die Ecke pfeift. Dass es dringenden und langfristig wirksamen Änderungen am Bildungssystem bedarf, ist mittlerweile den meisten Staatsvertretern aufgefallen. Ich würde das durchaus schon Teilerfolg nennen, allerdings schießen sich etliche Staatsvertreter die Synapsen durch, wenn es um konstruktive Lösungsvorschläge und Reformpläne geht... Die andauernde Debatte hat gestern dann ihren sprichwörtlichen Gipfel erreicht, als sich die Vertreter von Bund und Ländern in Dresden einfanden und sich fest vornahmen etwas gegen unsere edukativen Missstände zu unternehmen. Man kennt das ja, gute Vorsätze...


Zu meiner persönlichen Überraschung kamen Kanzlerin, Minister und Co. gestern neben der üblichen Streiterei auch mal auf einen gemeinsamen Nenner und man glaubt es kaum, die haben ernsthaft was beschlossen! Applaus. 
So sollen bis 2013 satte 35,5% aller Kinder unter drei Jahren in Kinderkrippen,-gärten oder bei Tagesmüttern untergebracht werden. Man bedenke, dass zur Zeit knapp 16% aller Knirpse in den Genuss einer Tagesbetreuung kommen. Finanziert wird das großangelegte Projekt durch Bund, Länder und Kommunen. Dabei ist mir nicht wirklich klar, wer welchen Teil von den einkalkulierten 12 Milliarden Euro blechen soll...
Und ab 2014 will der Bund jährlich 770 Millionen Euro zusätzlich reinbuttern. Aber das wurde nicht erst gestern beschlossen, liebe Freunde. Auf die Idee kam man schon im Frühjahr.

Gehen wir mal weiter den Bildungsweg entlang vom Kindergarten in die Grundschule. Bis 2010 sollen die Länder die VORAUSSETZUNG dafür schaffen, dass man verbindliche Sprachtests vor der Einschulung durchführt. So soll gewährleistet werden, dass die Knirpse auch verstehen, was man ihnen beibringen möchte. Eine gute Basis und das war mehr als überfällig. Ich bin dafür (sage ich selten im politischen Kontext, also bitte nicht dran gewöhnen). Mich stört jedoch das Wort "Voraussetzung" bei diesem Beschluss. Das hat für mich nichts wirklich bindendes und kann ja von Land zu Land auch wieder unterschiedlich interpretiert werden...

Nach der Grundschule schließt sich Gymnasium, Realschule oder Hauptschule an. Und auch hier will man etwas ändern! Die Zahl der Schulabbrecher liegt im Moment bei ungefähr 8% und man würde diese Quote gern bis 2015 halbieren. 
Tolle Idee, aber vor allem die Umsetzung haut mich ja völlig vom Hocker. Schüler mit Lernproblemen sollen individuell gefördert werden und anhand von "Kompetenzprofilen" soll festgestellt werden, wer zusätzliche Hilfe braucht um den Abschluss zu schaffen. Genauer gings nicht, oder?! Und wieder ein bahnbrechender Beschluss....

Weiter im Programm... Nach der Schule absolvieren die Einen ein Studium, die Anderen eine Ausbildung. Und auch hier, bei der Ausbildung, will man die Abbrecherquote senken. Das macht man dann mit einer Berufsorientierungshilfe während der Schulzeit. In meinen Erinnerungen an die eigene Schulzeit blitzen da einige Aktivitäten und Exkursionen durch, die man als Berufsorientierungshilfe bezeichnen kann. Stellen wir fest: nicht neu.

Die Alternative zur Ausbildung ist neben ALGII auch die Möglichkeit zu studieren. Wir sind mittlerweile in der Königsklasse der Bildungsstreitpunkte angekommen, denn beim Studium und wie hier reformiert werden solle, da scheiden sich die Geister unserer Staatsvertreter. Man möchte mehr Studienplätze schaffen und beruflich qualifizierten ohne Abitur den Einstieg ins Studium erleichtern. So weit, so gut. Generell will man das Budget für Bildung bis 2015 auf 10% des BIP steigern. Nur mal zum Vergleich: 2007 betrug das BIP für Deutschland 2.423 Milliarden Euro. Die 10% davon kriegt hoffentlich noch jeder selbst ausgerechnet. Wir reden hier also von einem annehmbaren Sümmchen, dass im Verhältnis 70/30 auf Bildung und Forschung aufgeteilt wird. Bitte nicht annehmen, dass die Summe jedes Jahr ausgegeben wird. So viel haben wir nicht...)
Der große Krach beim Bildungsgipfel ergab sich aus der Finanzierung, was zu erwarten war, aber auch aus der Zuständigkeit, denn Bildung ist Ländersache. So so. Ländersache also. 
Offensichtlich ist bei den Herrn Ministerpräsidenten noch nicht durchgesickert, dass es nicht darum geht, dass der böse Bund sich in das Hoheitsgewässer Bildung drängt, sondern dass ein desolates und unterfinanziertes Bildungssystem endlich wieder konkurrenzfähig gemacht wird. Das wollen ja alle - Deutschland als Bildungsnation ganz weit vorn in der Welt. Aber bezahlen wills keiner. Gern wird ja anhand von skandinavischen Ländern gezeigt, dass Bildung auch funktionieren kann. Was denen scheinbar keiner gesagt hat, ist die Tatsache, dass die auch erkannt haben, dass die Bildung ihre INVESTITION in die Zukunft des eigenen Landes ist und ja, dafür muss man gegebenenfalls auch mal in die Tasche greifen.

Solange darüber diskutiert werden muss, wer das Portemonnaie aufmachen soll und wem man die Schuld für das Scheitern eines populärpolitschen Gipfels geben soll, sind wir weit entfernt von einer Lösung.
Spätestens zur nächsten PISA Episode fällt dem ein oder anderen Politiker sicher wieder das Ding mit der Bildung ein....

Ich werde mich jetzt einem Buch widmen. Lesen, das hab ich in der Schule gelernt. Kann ich nur empfehlen.

Schönen Abend.

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