Als Autor schreibt man in den meisten Fällen eine ganze Weile an einem gut recherchierten Buch und ist dann ganz froh, wenn man einen Verlag gefunden hat, der neben einem großen Namen und Renommee auch noch eine große Auflagenzahl für das eigene Buch bieten kann. Das kann man getrost als Jackpot bezeichnen, jedenfalls aus Autorensicht. Es läuft aber nicht in allen Fällen so glatt, wie eben dargestellt. Ein Beispiel dafür ist die amerikanische Autorin Sherry Jones.
Der Verlag, Random House (großer Verlag, viel Kohle, guter Ruf), hatte sich vorgenommen den Roman "Aisha. Das Juwel von Medina" zu veröffentlichen. In letzter Minute ging den Damen und Herren beim Verlag aber der Hintern auf Grundeis und man entschied sich gegen die Publikation. Ein anderer amerikanischer Verlag witterte seine Chance und sprang in die Bresche. Allerdings wurde die Veröffentlichung kurzfristig vorgezogen.
Stellt sich die Frage, wieso ein Buch in unserer modernen Zeit einen Verlag wie Random House so verschrecken kann und wieso der andere Verlag es offensichtlich eilig hatte, das Werk von Sherry Jones so schnell wie möglich rauszukloppen (anders kann man das nicht bezeichnen).
Die Antwort darauf ist so simpel, wie erschütternd... Aus Angst vor Terroranschlägen.
Aha. Ein Buch provoziert einen Terroranschlag. Muss ein interessantes Buch sein.
Ja, tatsächlich wegen eines Buches, dass von einer Ungläubigen Amerikanerin geschrieben wurde und das Leben Aishas, der Lieblingsfrau des Propheten Mohammed, beschreibt. Stein des Anstoßes war eine Frau, um genau zu sein eine Islamwissenschaftlerin, die auf den Namen Denise Spellberg hört. Die gute Frau bezeichnete das Buch als pornografisch und weigerte sich aus eben genanntem Grund einen Klappentext für das Werk zu schreiben. Und hier fängt der Unsinn an.
Weltweit wurden Proteste laut, die auf der einen Seite ein Verbot des Buches erreichen wollten und auf der anderen Seite unbedingt durchsetzen wollten, dass man es veröffentlicht. Die Partei pro Veröffentlichung hat Runde eins gewonnen. Aber das wars ja noch lange nicht. Der Vorfall hat mich persönlich in meinen Grundfesten der modernen Literatur gegenüber durchaus erschüttert.
Dass es immer schon Bücher gab, die polarisierten und auch verboten wurden, ist nicht neu. Meist waren es kritische Werke, die man mit dem Prädikat "zu gefährlich für die allgemeine Bevölkerung" veredelte. Das hatte oft einfach nur den Hintergrund, dass der Leser jener Bücher eventuell auf die dumme Idee gekommen wäre sich mit dem Inhalt der verbotenen Werke auseinanderzusetzen und das vorherrschende System zu hinterfragen. Sowas geht ja nun beim besten Willen nicht...
Ich würde mich sicherlich nicht zu einem durchaus brisanten Post zum Thema Religion und literarischen Freiheiten hinreißen lassen, wenn ich mich nicht doch ein bisschen um Hintergrundwissen bemüht hätte. Ich gehe im Übrigen auch nicht davon aus, dass mich in absehbarer Zeit ein netter Fundamentalist mit 5kg C4 unterm Hemd in seine Arme schließt und gleichzeitig den Auslöser betätigt... Aber mir ist bewusst, dass ich mich auf sehr gewagtes Terrain begebe, wenn ich mich kritisch dazu äußere. Aber selbst der Fakt, dass es gewagt ist, verdient es als erschreckend bezeichnet zu werden. Soweit ist es schon gekommen, dass man sich teilweise als Verbrecher fühlt, wenn man die eigene Meinung laut sagt... Es lebe die Meinungsfreiheit. Es lebe die Pressefreiheit. Es lebe die Religionsfreiheit.
Also weiter im Text.
Nach den Karikaturen aus Dänemark und der Absetzung der Mozartschen Oper "Idomeneo" nun also ein weiterer Fall von Fundamentalismus in der Kunst. Gut, bei der dänischen Karikatur muss man sagen, dass der Spaß ziemlich übers Ziel hinaus geschossen ist... Dabei ist das Buch subjektiv empfunden nicht mal so brisant. Es dreht sich um Aisha, die im Alter von sechs Jahren mit dem Propheten verlobt und mit neun verheiratet wird. Das sind alles Tatsachen. Sherry Jones erlaubt sich als Autorin die Darstellung der ehelichen Pflichten und bringt dabei das Thema Pädophilie zur Sprache, zwar nicht explizit, aber anders kann man das ohnehin nicht nennen, wenn ein 50 Jähriger sich mit einer 10 oder 11 Jährigen vergnügt... Und diese beschriebene Szene macht das Buch laut Denise Spellberg zum Porno auf 448 Seiten.
Allerdings geht es nicht nur um die Pädophilie und Kinderheirat, was damals wie heute noch recht gängig und gebräuchlich war, bzw. ist. Muslime in aller Welt fühlen sich aber auch von ganz anderen Aspekten des Buches angegriffen. Mohammed als Prophet wird vermenschlicht und er hat Schwächen, wie jeder andere Mensch auch.
Hier mal eine kleines Zitat von einem Herrn, namens Rudi Paret Kohlhammer:
„In diesem Zusammenhang, nämlich bei der Frage nach der Geschichte Mohammeds und seiner Zeit, betrachten wir den Koran als eine historische Quelle erster Ordnung, und wir sehen unsere Aufgabe darin, ihn mittels einer eingehenden Interpretation zum Sprechen zu bringen. Dabei ist uns Mohammed mehr als ein bloßer Übermittler göttlicher Wahrheit. Er tritt selber in Aktion, behaftet mit menschlichen Schwächen, was ihn uns sympathisch macht, weil wir in ihm unser Fleisch und Blut sehen, und zugleich begabt mit einer menschlichen Größe, die uns Bewunderung und Ehrfurcht abnötigt. “
Jetzt die Überraschung: darüber hat sich keiner aufgeregt. Niemand. Kein Fundamentalist, kein Islamforscher.
Halten wir folgendes fest: Sherry Jones verpasst Mohammed in ihrem Buch menschliche und männliche Züge, zeigt auch Schwächen und wird deshalb prompt öffentlich als Ketzerin dargestellt. Rudi Paret Kohlhammer beruft sich auf den Koran und sagt explizit, dass Mohammed Schwächen hatte. Ihn will man nicht steinigen.
Sherry Jones vermittelt in ihrem Buch ein sehr vielschichtiges Bild des Propheten und benutzt historisch belegte Fakten sowie ihre eigene Fantasie um eine Geschichte zu schreiben, was für Autoren von Romanen durchaus so üblich ist. Bei Dan Brown hat sich meines Wissens nach auch nicht der Papst beschwert, dass er seine Verschwörungsbücher mit dem Thema Christentum gegen Naturwissenschaft veröffentlicht hat...
Respektlosigkeit, ja teilweise Blasphemie wird der Autorin vorgeworfen. Dabei sollten Kritiker mal eines nicht vergessen. Mohammed war Prophet und Gottesgesandter, nicht Gott. Und es gab vor Mohammed diverse andere Propheten, denen das Wort Gottes verkündet wurde. Nur Mohammed hat es sich auf die Fahne geschrieben, den Islam zu verbreiten und Missionsarbeit zu verrichten, wenn man so will. Etwas anderes sagt Sherry Jones in ihrem Buch auch gar nicht. Ich für meinen Teil finde, dass dieses Buch den Islam sympathisch macht, was nach etlichen Hetzkampagnen eher eine Ausnahme in der weiten Welt der Bücher darstellt. Propaganda gegen den Islam verkauft sich besser, denn jeder Heinz im Kleingartenverein hat ja Angst vor Terroranschlägen. Vielleicht verkauft sich dieses Buch auch ganz passabel, immerhin ist man in Amerika ja um die nationale Sicherheit besorgt, seit der Roman käuflich zu erwerben ist. Das nenn ich mal eine Steilvorlage für das Marketingteam des mutigen Verlages...
Seit der dänischen Karikatur sind wir Ungläubigen gehemmt, was Kritik am Islam betrifft, wenn man mal von der Propaganda zum Thema "Religion des Bösen" absieht, von der ich absolut nichts halte.
Theologische Theorien, und der Islam ist zweifelsohne eine davon, sind nicht nur dazu da um sie kommentarlos hinzunehmen. Ich plädiere für Religionsfreiheit, für Pressefreiheit und für den Dialog zwischen den Religionen. Jeder mag der Religion seiner Wahl nachgehen, aber es sollte gestattet sein, dass auch Außenstehende sich ein Bild machen dürfen und ja, ich finde es nicht im Ansatz verwerflich, dass eine Frau, die sich selbst nicht als Muslimin bezeichnet, ein Buch über den Religionsstifter und dessen Frauen schreibt. Ich wette, dass auch arabische Medien sich über manchen Christen oder Ungläubigen lustig machen. Ich bin auch überzeugt davon, dass ein gewisser Grad an religiösem Humor durchaus vertretbar ist. Wo hier die Grenzen zu ziehen sind, stellt ein sensibles Problem dar.
Für mich ist klar, dass ein Dialog zwischen den geistigen Gesinnungen notwendig und produktiv ist. Die eine Religion zu verteufeln und die andere als einzig wahre zu deklarieren, hat in der Vergangenheit schon so manche Auseinandersetzung heraufbeschworen. Muss ja nicht wieder sein.
Ein bisschen Offenheit und Toleranz hat noch keinem geschadet. Mal ehrlich, wem tut es denn wirklich weh, wenn Mohammed sympathisch beschrieben wird?! Ist der unbarmherzige religiöse Irre dem elitären Kreis der C4 Fundamentalisten vielleicht lieber?!